DER INNERE MONITOR
SYNÄSTHESIE
Farbtafeln
Namensgeber dieser Arbeit ist ein Begriff aus der Neurologie: Viele Synästheten bilden ihre mitlaufende Wahrnehmung auf einem sogenannten »Inneren Monitor« ab.
Gegenwärtige Forschungen besagen, dass in der synästhetischen Wahrnehmung Zusammenhänge zu der inhaltlichen Bedeutung des Auslösers vorhanden sind. Nach meiner These ermöglicht die genuine graphemische Synästhesie die Visualisierung von Texten nach einem feststehenden Bedeutungssystem. Dieses basiert zwar auf individuellen Erfahrungen, ist aber konstant und unwillkürlich – also kein Audruck einer momentanen metaphorischen Zuordnung. Ich gehe davon aus, dass besonders in der lexikalischen Synästhesie bedeutungshafte Strukturen der Auslöser zu erkennen sind. Die Arbeit Der Innere Monitor geht von dieser These aus und übersetzt mit Hilfe von Synästhesie ausgewählte Texte in Farbtafeln.
Über mehrere Jahre hinweg habe ich mein individuelles Lexikon von festen Farbzuordnungen zu Buchstaben, Zahlen und Wörtern erfasst – bisher 1024 Farben. Dieses Farbschema wird mit einer von mir erstellten Schriftart als Algorithmus auf ausgewählte Texte angewendet. Die Schrift stellt die einzelnen Schriftzeichen in Form von gleichförmigen Farbbalken dar. Sie reduziert die Form der Buchstaben auf ein Minimum und lässt sie nur über ihre Farbe sprechen. Die Texte werden in großformatige Farbtafeln übertragen, die sich aus tausenden von Farbbalken zusammensetzen und den Inhalt ausschließlich über die Farbe vermitten.
»[…] Here the artist undermines the stressed semantics and system, as in the color panels we lose the sense of the content but consider me piece as an »all-over« abstract. To speak in semiotic terms: Here the signiner becomes the signified and vice versa – the content overlaps with the form. There is an interesting dualistic aesthetic in Bolz’ aesthetic translation projekt: The work Der Innere Monitor appears as minimal due to its strict systematic outline, but also as highly playfully poetic, due to her choice of literary text. The strict rules of translating letters into color (grapheme synesthesia) oppose the numerous tone of the work, echoing the wit in Ionesco’s play with nonsense and grotesquery. We finally feel challenged by the opposition of dry linguistic phonetic sentences on the one hand, and the intimacy of the artist’s own inner color system on the other: by means of a code, the artist’s individual visual system has been translated to plates of color.«
Auszug aus
Regine Rapp »Transformation, Transliteration and Translation. Synaesthesia and Multisensory Perception in Contempory Visual Art«, in: Digital Synesthesia: A Model for the Aesthetics of Digital Art,
(Hgg.) Katharina Gsöllpointner, Ruth Schnell, Romana Karla Schuler,
Walter de Gruyter Berlin/Boston, 10.05.2016
Farbtafeln zu der Arbeit Der Innere Monitor. Fotoabzug unter Acrylglas | Auflage je 10 Stück | 70 x 100 cm | Gesetzt in der Colorfont | Die Nachtigall und die Rose ist Bestandteil der Artist Book’s Collection des Reed Colleges, Portland, USA
Der Innere Monitor / Theoretischer Hintergrund
Austellungen
The Poetry and Politics of Documentation, Reed College, Portland, USA, 2016
Der helle Wahnsinn, Museum Vögele Kultur Zentrum / Stiftung Charles und Agnes Vögele, Schweiz, 2014
Synaesthesia: Translating, Correcting, Archiving, Art Laboratory Berlin, 2013
Vortrag
Synaesthesia. Discussing a Phenomenon in the Arts, Humanities and (Neuro-)Science Art Laboratory Berlin / Konferenz, 2013 mehr >>
Der Innere Monitor / Künstlerbücher
Die Nachtigall und die Rose von Oscar Wilde | Der goldne Topf, Erste Vigilie von E. T. A Hofmann | Gegen den Strich, 1. Kapitel von Joris-Karl Huysmans
Die kahle Sängerin, 1. und 11. Szene von Eugène Ionesco | Der alte Garten, 8. Kapitel von Marie-Luise Kaschnitz | Der Schaum der Tage, 1. Kapitel von Boris Vian
Synaesthesia: Translating, Correcting, Archiving, Art Laboratory Berlin, 2013, Fotos: Kirsten Kofahl, unten rechts: Olga Shmakova